Morgens um 7 Uhr ist die Welt noch in Ordnung, dachte ich heute früh und drehte mich noch einmal genüsslich in meinen Körbchen auf dem Rücken. Heute ist Samstag und das bedeutet: AUSSCHLAFEN!!!
Wenn da nur die Sonne nicht verlockend auf meine Nase scheinen würde. Ob ich doch mal versuchen sollte Sali zu wecken, dachte ich gerade, als mein Frauchen auch schon die Augen aufschlug. Das
passiert öfters, ich denke gerade an Sali und direkt in diesem Augenblick schaut sie mich an oder ruft mich. „Wir sind Seelenverwandte“ sagt sie dann oft mit einem Lächeln im Gesicht, wenn sich
unsere Blicke kreuzen. Ich finde, das hört sich sehr schön an. Auch heute Morgen war es so und Sali huschte schnell aus dem Bett und beeilte sich beim Anziehen. Fünf Minuten später waren wir dann
auch schon zur ersten Gassi Runde unterwegs. Wir gehen auf unserer Runde immer beim Bäcker vorbei. Den finde ich klasse, weil ich dort immer ein Brötchen von der netten Verkäuferin geschenkt
bekomme. Vor dem Geschäft ist eine große Wiese und dort warte ich immer auf Sali. Von meinem Platz aus habe ich alles perfekt im Sichtfeld und kann genau beobachten, wann mein Frauchen an der
Reihe ist.
Neben mir wartete heute „Benny“ ein Retriever Rüde. Ich nutze die Zeit immer gerne für einen kleinen Klatsch unter Hunden. Was ich dort erfahre, muss ich auf dem Heimweg nicht mehr an den „Zeitungsstellen“ lesen. Heute war es wieder besonders voll beim Bäcker und ich richtete mich gemütlich auf eine längere Wartezeit ein. Plötzlich stupste mich Benny an: „Schau mal Kumpel, der Knirps da sieht aus wie du als Welpe!“ Wo? Wie? Kaum hatte ich das ausgesprochen wurde die „halbe Portion“ auch schon neben mir angeleint. Das fehlte mir noch! Hoffentlich kein kleiner Rüde, den ich jetzt das 1×1 der Hundehöflichkeit zeigen muss, war mein erster Gedanke.
Kaum war das Frauchen vom Mini-Bonsai im Laden verschwunden, sprach mich das Fellknäuel ängstlich an: „Psstt – du da, kannst du mir helfen?!“ „Klar schieß los“ antwortete ich und zwinkerte Kumpel Benny zu. „Ich bin entführt wurden!“ Erschrocken sprang ich auf. „Wie entführt? War das nicht gerade dein Frauchen?“ „Den Begriff Frauchen kenne ich nicht, aber bis vorgestern war ich noch bei meiner Mama und meinen Geschwistern“, antworte mir der Zwerg. Chiru ganz ruhig – jetzt keine falschen Schlüsse ziehen, mahnte ich mich selbst zur Ruhe. „Ja und was passierte dann?“, fragte ich. „Dann kam das Frauchen wie du sie genannt hast und nahm mich mit zu sich nach Hause. „Ja, aber das ist doch normal“ mischte sich Benny in das Gespräch ein. „Wenn Welpen älter werden, verlassen sie ihre Hundefamilie und ziehen bei einer neuen Familie ein. So war das bei mir auch.“ „Du meinst ich bin überhaupt nicht entführt worden?“, fragte der Zwerg ängstlich. „Hört sich für mich alles normal an“, brummelte Benny. „Stand für dich denn ein Körbchen bereit? Hatte das Frauchen Futter für dich, ein Spielzeug, ein Näpfchen und so ein Kram?“, wollte ich von dem Zwerg wissen. Er nickte: „Ja stimmt – sogar alles ganz neu und in schönen bunten Farben“. „Dann bist du auch nicht entführt worden, sondern bist in dein neues Zuhause umgezogen“, stellte ich fest. „Aber wo sind meine Geschwister? Meine Mama? Leben Hunde nicht bei ihren Hundefamilien?“ „Was ist das denn für ein Quatsch“, brummelte Benny vor sich hin. Weinerlich zog der Zwerg sich sofort zurück. „Nein, Zwerg das ist normal. Mit 9 oder 10 Wochen ziehen Hundebabies zu ihren neuen Menschen“, beruhigte ich ihn.
„Und wer liebt mich dann jetzt?“ „Na dein neues Frauchen“, antwortete ich. „Bist du sicher?“, piepste Zwerg. „Mein Frauchen Sali liebt mich sehr, bei dir ist es doch genauso Benny. Natürlich wird der Zwerg auch von seinem Frauchen geliebt“. „Auch jetzt schon, wo das Frauchen mich doch gar nicht kennt?“ Der Zwerg schaute mich mit seinen großen Augen an. Jetzt kam sogar ich so langsam ins Schleudern. Wie sollte ich als erwachsener Rüde einem Hundewelpen die Liebe erklären?
Sicherheitshalber checkte ich erst einmal die Umgebung, ob auch kein anderer Rüde, außer Benny (der ist kastriert und zählt nicht) unser Gespräch belauscht. „Also Zwerg, am Anfang ist es nicht sofort Liebe, sondern ich würde es als Zuneigung bezeichnen. Meine Sali erzählt mir immer wie schön es für sie war mich bei meiner Hundefamilie zu besuchen. Für sie war ich ganz schnell nicht einer von acht Welpen, sondern IHR Chiru. Ich mochte mein Frauchen auch sofort. Sie hatte so ein Strahlen in den Augen, wenn sie mich hoch hob und war so sanft und vorsichtig mit mir. Als dann der Tag der Trennung von meiner Hundefamilie kam, ging es mir genauso wie dir jetzt Zwerg. Ich hatte auch erst Angst und war verunsichert. Auch für mich hatte mein Frauchen alles toll vorbereitet: ein schönes rotes Körbchen stand neben ihren Bett für mich bereit und ganz viel Spielzeug. Ich vermisste besonders meinen Bruder Donka, aber Sali war immer da, wenn ich traurig wurde und spielte mit mir“.
„Und ab wann war es dann Liebe?“ Langsam wurde der Zwerg ungeduldig. „Du stellst Fragen Zwerg. Es gibt keinen fixen Zeitpunkt. Liebe wächst aus Zuneigung. Stell dir lose Fäden vor. Es werden immer mehr und du drehst das ganze zur Kordel. Das Band wird immer fester und stabiler – so ist das mit der Liebe zu deinem Frauchen auch.“ Im Hintergrund lachte Benny und ärgerte mich „Chiru, dieser Spruch ist aber jetzt nicht auf deinem Mist gewachsen, oder?!“ Verlegen grinsend gestand ich ihm, dass ich diese Aussage von Sali gehört habe. „Aber es leuchtet doch ein, oder Benny?!“ „Und was muss ich für die Fäden machen? Immer artig sein und gehorchen?“, fragte Zwerg. Verstohlen warf ich einen Blick auf Benny und antworte dem Zwerg: „Na dann wäre Bennys Seil ein sehr dünnes Fädchen. Nein das hat nichts mit guten Benehmen zu tun. Ich habe auch einmal Salis Rattan Bett angeknabbert und war nicht immer ein Musterschüler. Für mich wurde Sali immer wichtiger, weil wir viele tolle Sachen miteinander unternommen haben. Ich habe gemerkt, dass ich mich in jeder Situation auf sie verlassen kann und dass sie für mich da ist, wenn ich sie brauche. Sie hat aber auch gelernt zu akzeptieren, dass ich kein Schmusebär bin – auch wenn gerade das ihr manchmal schwer gefallen ist. Je mehr Zeit verging umso wichtiger wurde sie für mich und heute kann ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.“
„Sind alle Frauchen so?“ Unsicher schaute der Zwerg Benny und mich an. „Also mein Frauchen ist genauso toll wie Chiru seine Sali beschreibt. Auch ich erlebe viele spannende Dinge mit meinen Zweibeinern. Gerade jetzt wo ich älter werde und nicht mehr so flott bin, wird viel für mich gemacht. Sogar der Familienurlaub musste ausfallen, weil ich eine teure OP hatte. Dein Frauchen hatte vorher bereits einen Hund, die Luna. Luna wurde sehr von deinem Frauchen geliebt. Wir allen sehr traurig als Luna vor einem halben Jahr über die Regenbogenbrücke ging und dein Frauchen so weinte.“
„Aber warum machen 2-Beiner das alles für uns Hunde?“, wollte der Zwerg von uns wissen. „Sali bekommt häufig den Spruch zu hören, dass ich für sie ein Kinderersatz bin. Da wird sie immer
fuchsteufelswild und sagt, dass könnte man überhaupt nicht vergleichen“, erzählte ich dem Zwerg. „Kinderersatz kann es daher schon einmal nicht sein.“ „Ich höre immer Partnerersatz“ warf Benny in
das Gespräch ein. „Nein, kann es auch nicht sein“ und ich erinnerte Benny daran, dass unsere Frauchen ja verheiratet sind. „Es hört sich jetzt vielleicht angeberisch an, aber Sali sagt immer über
mich: He´s not my dog – he´s my best friend.“ Warum „bester Freund“ möchte der Zwerg wissen. „Weil ich immer bei ihr bin. Wir verbringen fast unsere gesamte Zeit miteinander und ich nehme
sie so wie sie ist. Es ist schwer zu erklären, aber wir gehören einfach zusammen und sind so etwas wie eine Einheit geworden. Oft reicht ein Blick und der andere weiß was man gerade denkt oder
fühlt. Wenn sie traurig ist, bringe ich sie immer zum Lachen, sagt sie oft. Und sie ist viel sportlicher durch mich geworden, weil wir viele große Spaziergänge machen. Wir teilen viele schöne
Momente miteinander und leben im „hier und jetzt“. Das hat sie auch von mir gelernt. Was kümmert mich die Vergangenheit –warum soll auf morgen warten, wenn ich hier und jetzt den Augenblick
genießen kann.“ „HILFE – jetzt kommt wieder der Tibeter bei ihm durch“, ulkte Benny. „Chiru hält sich für einen Schüler vom Dalai Lama und philosophiert gerne! Aber Zwerg, an dem was er sagt ist
etwas Wahres dran. Viele 2-Beiner empfinden so für ihre Hunde und wir sind für sie Kameraden, Freunde und Familienmitglieder. Ohne uns würde ihnen etwas sehr wichtiges im Leben fehlen und wir
schenken ihnen viel Freude und glückliche Augenblicke.“
Das was ihr erzählt hört sich toll an, aber zu einer Freundschaft gehört doch auch, dass man miteinander sprechen kann. Ich habe die Körpersprache von dem Frauchen ja schon ein wenig deuten können, aber wie versteht sie mich?“ „Na, da hat es unsere tibetische Fellkugel schwierig mit dem ganzen Wollberg“, lacht Benny. Typisch Benny, dachte ich nur, lässt keine Gelegenheit aus über meinen lässigen Haar Look zu witzeln und antwortete dem Zwerg. „Mit den Jahren entwickelt ihr eine ganz eigene Körpersprache zu einander, die ihr beide versteht. Wenn ich zum Beispiel züngele, weiß Sali genau, dass ich gerade etwas nicht möchte. Gähnen heißt immer: ich bin ungeduldig – jetzt aber flott oder oft ich habe keine Lust mehr fotografiert zu werden. An Stupsen in die Knie bedeutet, wir sind ein tolles Team und wenn ich unsicher bin suche ich Salis Blickkontakt.“ „Und wie zeigst du deinem Frauchen, dass du sie liebst?“, will der Zwerg wissen. „Ganz einfach: dann gibt es ganz viele Schlabberküsschen ins Gesicht“ antwortete ich ihm fröhlich.
„Das hört sich toll an“, seufzt der Zwerg und ist sichtlich beruhigter als zu Beginn unseres Gespräches. „Meinst du Chiru, bei mir und meinem Frauchen wird es genauso eine schöne Freundschaft? Wie mache ich das?“ „Bestimmt“, versichere ich dem Zwerg. Pass auf, dein Frauchen bezahlt gerade und kommt gleich raus. Du könntest ihr zeigen wie froh du bist, dass sie wieder da ist und sie freudig begrüßen. Der Zwerg strahlte: Danke für den Tipp Chiru – sind wir ab jetzt auch Freunde? Dann musst du mir aber deinen Namen verraten – ich kann dich ja nicht immer Zwerg nennen, antwortete ich. Meine Name ist Dasha, antworte der Zwerg und sprang auf und hüpfte aufgeregt um sein Frauchen.
Ein glückliches Strahlen ging über das Gesicht von Dashas Frauchen und wir konnten sehen wie sehr sie sich über seine freudige Begrüßung freute. „Du bist mein Schatz“, sagte sie und löste seine Leine. In diesem Moment war ich mir sicher, auch Dasha und sein Frauchen verbindet schon bald das Band der Liebe zueinander.
Kurz danach kam auch Sali aus der Bäckerei und ich war in diesem Moment richtig glücklich. Ich stupste Sali in die Knie, als wir unsere Runde weitergingen. Ihr wisst ja, das ist unser Zeichen für
„wir sind ein tolles Team“. Erstaunt sah Sali mich ersten Moment an. Aber dann zwinkerte sie mir zu und sagte :“ Ja Chiru – du bist mir genauso wichtig“…